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Letzthin war mein Sohn, er ist halb neun, das zweite Mal für 30 Minuten alleine zu Hause gewesen. Bevor ich nach Hause fahren konnte, musste ich noch tanken. Ich betrat den Shop der Tankstelle, schnappte mir mein Brot und die 4 Winnetou-Glace und stand an der Kasse brav an. Vor mir, Gott sei Dank, nur eine ältere Dame. Sie schob ihre, wie sich danach herausstellte, ausgefüllten Lottozettel über die Theke.


Das Fräulein an der Kasse stopfte diese Zettel dann in diesen überdimensional grossen Automaten. Sie versuchte es drei Mal. Danach wandte sie sich an die ältere Dame und meinte, dass es nicht funktioniere. Sie versuchte die Lottozettel der Dame wieder hinzuschieben. Diese schob sie jedoch wieder von sich zurück zum Fräulein. Ich stand da und spürte, wie mein linker Arm langsam kalt wurde. Irgendwann fragte ich mich, wie lange es ginge, bis diese 4 Winnetou-Glace auf meinem Arm zu Sirup werden würden. Und dann war da noch mein Sohn, alleine zu Hause.


Hinter mir war ich nun nicht mehr alleine. Da standen 2 taffe Männer. Ich dachte, dass die bestimmt auch von einer lebensnotwendigen Weiterbildung in Finanzbuchhhaltung kamen.


Ich fragte mich, was also eine ältere Dame um 18.30 Uhr in einer Coop-Tankstelle mit Lottozettel tat? Hätte sie diese nicht auch am Nachmittag um 15 Uhr ausfüllen können? Oder Samstags? Ich ermahnte mich in den Gedanken so zu denken. Sende ihr Liebe oder lesbare Lottozettel für die KI-Maschine, sagte ich zu mir. So gedacht, hab ich es dann auch getan. 


Leider ging die Diskussion vor mir weiter. Zettel wurden hin und her geschoben bis sich ein tapferer Mann hinter meinem Rücken zu Wort meldete und wie Meister Proper sich an mir vorbei drückte zu den beiden weiblichen Gestalten vor mir. 


Pass auf. Jetzt kommt°s. Der taffe Mann sprach plötzlich eine fremde Sprache. Das Fräulein erklärte ihm mit der gleichen Sprache ihr Problem. Er passte dann seine Sprache der älteren Dame an und sagte zu ihr: “ Es warten alle hier. Machen sie bitte vorwärts. Man könne das Problem nicht lösen. Die Maschine sage zum Lottozettel nein.“ 


Meister Proper drängte sich dann wieder an mir vorbei und stellte sich brav hinter meinen Rücken. Die ältere Dame weigerte sich, dies zu akzeptieren. Meine unbezahlten Winnetou-Glace auf meinem linken Arm begannen definitiv an zu schmelzen. Ich konnte bereits fühlen, wie sich der ganze klebrige Sirup über meine Haut ausbreitete. Wie soll ich das bloss meinem Sohn erklären?


Irgendwann aus lauter Verzweiflung klopfte ich liebevoll der älteren Dame auf die Schulter und sagte lächelnd: „Ich habe einen Sohn alleine zu Hause.“ Sie schaute mich irritiert an und wendete sich wieder dem Fräulein zu. 


In solchen Momenten hat man das Gefühl, keine Zeit zu haben. Dabei ist Zeit eine Illusion. Im JETZT gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft. Es gibt nur den Augenblick, den Moment. Die totale Präsenz. Ich war in dieser Coop-Tankstelle nicht präsent.


Meine Gedanken waren ständig bei meinem Sohn und seinem Alleinsein. Im Kopf war ich gestresst durch meine Gedanken was ich sollte und was nicht, wie es richtig sein sollte und wie nicht, was ich als Mutter zu erfüllen hatte und was nicht.


Und dann ständig der Gedanke: „Ich habe keine Zeit."


Alles was du jetzt bist, ist das Resultat deiner Gedanken.

Ein Meister


Autorin 

Tanja Eberle

23.05.2025

 
 

©2024 Tanja Eberle Erstellt mit Wix.com

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